Vom Willkommen Heißen zum Ankommen Helfen
HAFSSA EL BOUHAMOUCHI, Stipendiatin des Avicenna-Studienwerks
“Ein großes Projekt soll es werden, mit finanzieller Unterstützung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Rückhalt einer Regierung, die sich für ein „Wir schaffen das“ einsetzt. Als ich zum ersten Mal vom Lotsenprojekt „Unsere Zukunft. Mit Dir!“ des Avicenna Studienwerks hörte, gingen mir viele Fragen durch den Kopf, die ich bei einem Regionaltreffen mit meinem Mitstipendiaten und Partner in der Regionalgruppenleitung Aykut Ilaslan besprechen konnte. Als erfahrener Sozialarbeiter mit dem Schwerpunkt interkultureller und internationaler Sozialarbeit begleitet er das Projekt von Beginn an und unterstützt die Projektleitung bei der inhaltlichen Konzeption und praktischen Durchführung. So trafen wir uns kurz vor dem großen Kick-off in Berlin.

Eingeladen war nicht nur der parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel. Auch Vertreter/-innen der anderen Studienwerke sowie die Presse sollten dem Auftakt beiwohnen. Nach monatelangen Vorbereitungen und einer umfangreichen Organisation, stand der 25. April an: Der Kick-off in Berlin. Mit Bravour und Exzellenz sprachen Aykut Ilaslan und Erszebeth Roth vor einem hochkarätigen Publikum, das sichtlich beeindruckt war von der Expertise dieser jungen Studierenden. Ein gelungener Auftakt also. Aber wofür eigentlich?
Das Lotsenprojekt ist gedacht als ein bundesweites und alle Studienwerke einschließendes Projekt, das Geflüchtete beim Ankommen in der deutschen Gesellschaft unterstützen soll. Es wäre viel zu einfach sich mit der Begründung, dass Studienwerke einem Bildungsauftrag nachgehen, der sich in erster Linie an Bildungsbürger/-innen richtet, aus dem Aufgabenbereich der Integrationsarbeit mit Geflüchteten zu entziehen. Deutschland jedoch deklariert sich selbst als Land der Ideen. Welche bessere Idee könnte es geben, als die Ideenwerkstätten zusammenzubringen, bestehendes Potential, das die Stipendiaten/-innen mitbringen in neue Projekte einfließen zu lassen und dabei zu beobachten wie auf der Basis von Synergien Multiplikatoren entstehen?
Mit diesem Verständnis wurden nach einer Bewerbungsphase 160 Stipendiaten ausgewählt, die an sieben Schulungsorten deutschlandweit zu Flüchtlingslotsen sensibilisiert und geschult werden. Die zukünftigen Lotsen könnten dabei nicht unterschiedlicher sein: Bei der zweiten Schulung in Wiesbaden waren unter den ca. 30 Teilnehmenden sowohl unerfahrene Studenten/-innen, aber auch ehrenamtliche Profis, die seit frühester Jugend unmittelbar mit Geflüchteten arbeiten, sich im Studium mit der Thematik auseinandersetzen oder sogar bereits eigene Patenschaften an ihrer jeweiligen Universität initiiert hatten. In den verschiedenen Modulen setzten wir uns mit rechtlichen, seelsorgerischen und bildungsbezogenen Inhalten auseinander, tauschten uns über Erfahrungswerte in der ehrenamtlichen Arbeit aus und darüber wie wir unsere Ideen am effektivsten und nachhaltigsten umsetzen können.
Das besondere Merkmal des Lotsenprojekts ist die Freiheit in der Konzeption, Planung und Durchführung der Ideen. Nur eines sollten die Projekte meines Erachtens nicht sein: kurzweilig. Zukunft zeichnet sich nicht nur durch Innovation sondern erst durch Nachhaltigkeit aus. Wir als Stipendiat/innen haben ideale Voraussetzungen, die Zukunft Deutschlands zu gestalten, Ressourcen und Zugänge stehen uns offen. Dies sind meiner Überzeugung nach Mittel, die eine Verantwortung mit sich bringen, der es gerecht zu werden gilt. Das bedeutet nicht, dass wir staatliche Integrationsarbeit übernehmen oder hiesige Bildungsdefizite und gesellschaftliche Missstände nicht länger problematisieren. Es bedeutet, dass wir mit dem Status Quo nicht zufrieden sind und mehr tun als nur „Refugees welcome“ zu sagen. Getragen von Hoffnung, Mut und Zielstrebigkeit richten wir – alle Lotsen der Studienwerke gemeinsam mit „Dir“ – den Blick auf eine neue, menschliche und starke Gesellschaft.”
Autorin: Hafssa El-Bouhamouchi ist Stipendiatin des Avicenna-Studienwerks und studiert „Religion im kulturellen Kontext“ (M.A.) an der Leibniz-Universität Hannover